Pünktlich um 10:50 Uhr kommt der
23-Jährige mit seinem Opel Astra am abgemachten Treffpunkt an. Beim
Bahnhof sammeln wir noch den Syrer Nadim ein, der in Münster einen
Freund besucht hatte. Während der dreistündigen Fahrt unterhalten
wir uns über die verschiedensten philosophischen Themen. Die Zeit
vergeht im Flug. Ich bin von Blablacar begeistert. Am Ende profitiert
jeder von dem Angebot: „Ich spare die gesamten Spritkosten“, sagt
René. Nadim und ich kommen komfortabel und günstig an unser Ziel
und die Umwelt freut sich über das eingesparte Kohlenstoffdioxid.
Durch die Möglichkeit, die Fahrer zu bewerten, hält sich das
Risiko, entführt zu werden, meiner Meinung nach in Grenzen. Was ich
zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste: Auf der Rückfahrt vom Flughafen
sollte ich eine negative Erfahrung machen.
In Koblenz angekommen, mache ich mich
auf dem Weg zu meiner Übernachtungsmöglichkeit. Ein Hostel in
Koblenz würde mich mehr als 20 Euro pro Nacht kosten. Über das
Portal Couchsurfing habe ich Lisa ausfindig gemacht, die
gerade ihre Doktorarbeit schreibt und in einer WG mitten in der
Innenstadt lebt. Dadurch, dass ein Mitbewohner ausgezogen ist, habe
ich sogar ein eigenes Zimmer. Abends kochen Lisa und ich zusammen.
Obwohl wir uns gerade erst kennengelernt hatten, haben wir uns viel
zu erzählen. Ausgeruht und voller Energie stieg ich am nächsten
Morgen in den Bus zum Flughafen. Couchsurfing hat sich wirklich
bewährt und ist sicherlich einer der besten Möglichkeiten,
Insider-Tipps von Einheimischen zu erfahren und kostenlos bei
jemandem zu übernachten.
Am Flughafen
treffe ich zum ersten Mal Chris, der auf meine Annonce auf der
Website Joinmytrip geantwortet hat. Joinmytrip bietet ein
Netzwerk, das Reisenden ermöglicht, gleichgesinnte Reisepartner zu
finden. Ich habe einen Eintrag geschrieben, dass ich vor dem
deutschen Winter fliehen möchte und zahlreiche Nutzer haben
Interesse gezeigt, mich dabei zu begleiten. Auch einige ältere
Herren fühlten sich durch meine Fotos sehr angesprochen. Vorsicht
ist geboten, bei Personen, die die Hotelkosten für die
Reisebegleitung übernehmen möchten. Chris möchte hingegen
Low-Budget und sehr spontan unterwegs sein. Wir haben miteinander
telefoniert und die Reisepläne beschlossen. Nichtsdestotrotz war es
irgendwie ein komisches Gefühl, ihn dann am Flughafen zu treffen.
Jedoch erweist es sich als sehr praktisch, die Verantwortung für die
Reiseplanung zu teilen: „Ich habe schon ein Hostel gebucht und mit
verschiedenen Marokkanern geschrieben, die uns die Stadt zeigen
wollen“, erklärt Chris. Im chaotischen Marrakesch angekommen,
fühle ich mich mit dem 23-Jährigen an meiner Seite ziemlich sicher.
Am zweiten Morgen in Marokko geschieht
jedoch die Katastrophe. Chris weckt mich um vier Uhr morgens auf und
appelliert, dass er zum Krankenhaus gebracht werden muss. „Das
gehört als Reisepartnerin jetzt wohl auch dazu“, denke ich mir,
und quäle mich aus dem Bett. Die Ärztin im internationalen
Krankenhaus diagnositiziert eine Lebensmittelvergiftung und
verschreibt Bettruhe. Glück im Unglück: Im Hostel lerne ich einen
Schotten, einen Kanadier, einen Norweger und einen Neuseeländer
kennen, die zum Surfen in Taghazout aufbrechen. Chris lasse ich
ziemlich kaltherzig in Marrakesch zurück. Nur, weil wir zusammen
herflogen sind, fühle ich mich nicht für ihn verantwortlich.
Während der Fahrt an die Küste schlussfolgere ich: Für den Anfang
ist eine Reisebegleitung eine gute Sache, jedoch gibt es zahlreiche
Möglichkeiten, in Hostels interessante Menschen kennenzulernen. Sich
an eine Person zu binden, kann die Flexibilität erheblich
einschränken. Die nächsten Tage lief es folgendermaßen: 1.
Beliebtes Hostel auf Hostelworld im
Zielort gesucht. 2. Im größtmöglichsten Schlafsaal eingechekt. 3.
Nette Menschen aus der ganzen Welt kennengelernt und zusammen
Aktivitäten unternommen.
Unverhofft
erweist sich eine weitere App als Hilfe zum Kennenlernen neuer Leute:
Tinder. Die
Smartphone-App dient eigentlich als Singlebörse, bei der zahlreiche
Singles auf dem Bildschirm erscheinen und sich bei gegenseitigem
Interesse am Aussehen des Anderen ein Chatfenster öffnet. Durch
dieses Prinzip finde ich zwei attraktive Reisepartner, die sich in
meiner Nähe befinden und mich beim Surfen und einer langen Busfahrt
begleiten. Sogar den Piloten meines Rückfluges finde ich auf Tinder
– aber das ist eine andere Geschichte. Eventuelle sexuelle
Hintergedanken waren bei den gemeinsamen Aktivitäten nicht
sonderlich präsent. In den Schlafsälen der Hostels kommt auch nicht
unbedingt eine romantische Stimmung auf.
Nach zehn Tagen
voller Abenteuer, Surfen und Shopping muss ich mich wieder auf den
Rückweg machen. Das Glück meint es gut mit mir, glaube ich, als ich
den Blablacar-Fahrer Qeiss fand, der um Mitternacht vom Flughafen
nach Frankfurt fahren wollte. „Das läuft ja wie geschmiert“,
denke ich mir. Einen Tag vor Abflug checke ich noch einmal die
Konversation und sehe, dass Qeiss die Autofahrt gelöscht und seine
Handnummer versteckt hat. Na super. Ich setze all meine Hoffnungen
darauf, beim Flughafen spontan eine Mitfahrgelegenheit zu finden.
Stilecht bastel ich mir sogar ein Pappschild mit der Aufschrift
„Frankfurt?“. In der Warteschlange vor dem Gate fragte ich
verzweifelt alle Passagiere nach ihrem Zielort. Und hatte Glück!
Paul und seine Tochter Alina fahren mich in einem chicen BMW
komfortabel zum Frankfurter Bahnhof, wo ich um zwei Uhr einen
günstigen Flixbus bis nach Münster nehme.
Fazit: Ich
empfinde Reisen als eine der intimsten Dinge, die man mit jemandem
unternehmen kann. Während der Tage habe ich mir vom Schlafzimmer
über den Geldbeutel bis zum Essen das Meiste geteilt. Auf der
Internet-Suche nach einem Reisepartner, sollte darauf geachtet
werden, die gleichen Interessen für die Reise zu haben und auf
einer Wellenlänge zu sein. Jemand, der sich immer über
Kleinigkeiten aufregt, dauernd meckert oder alles bis ins letzte
Detail planen möchte, kann ziemlich anstrengend werden.
Zu Blablacar und Couchsurfing: Zwar kostet es mehr Kraft und Nerven, nach Mitfahrgelegenheiten und Übernachtungsmöglichkeiten zu suchen – Jedoch kann dadurch einiges an Geld eingespart werden. Ein gewisses Risiko bleibt am Ende nicht aus. Ich bin zu Fremden ins Auto gestiegen, habe bei ihnen übernachtet und bin zusammen mit ihnen durch die dunklen Gassen in Marrakesch gelaufen – zur Überraschung meiner besorgten Eltern lebe ich noch.
Im Endeffekt waren
meine anfänglichen Ängste, ohne eine bekannte Person wegzufahren,
unbegründet. Schlussendlich war ich nie alleine unterwegs, wobei mir
das vielleicht ab und zu gut getan hätte.
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